Atmen ist die grundlegendste Körperfunktion (und -bewegung) die wir haben. Oft betrachten wir diese für selbstverständlich, da sie meist ganz automatisch und unterbewusst abläuft. Aber was wäre wenn wir lernen diese, eigentlich so automatische Funktion, bewusst zu steuern um unsere körperliche wir auch mentale Gesundheit zu verbessern?
Das ist der Grundgedanke hinter Breathwork - einer Praxis, die sich auf die bewusste Steuerung der Atmung konzentriert. Dahinter stehen unzählige verschiedene Atemtechniken und -übungen für unterschiedliche Situationen mit unterschiedlichen Zielen. Aber im wesentlichen geht es darum, die eigene Atmung bewusst wahrzunehmen und diese bewusst zu steuern, um Körper und Geist wieder in Einklang zu bringen und die allgemeine körperliche wie auch mentale Gesundheit zu verbessern.
Breathwork = die bewusste Arbeit mit unserer Atmung.
Vorteile von Breathwork:
Die Liste von Vorteilen der bewussten Arbeit mit unserem Atems ist lang. Hier möchte ich euch einmal, die meines Erachtens, Wichtigsten in kürze vorstellen:
Regulation des Nervensystem
Lösung von emotionalen Blockaden
Verbesserung des Immunsystems
Verbesserung der Schlafqualität
Steigerung der Leistungsfähigkeit
Steigerung der Resilienz
Linderung von Stress und Angstzuständen/ Panikattacken
Grundsätzlich lässt sich Breathwork in drei Kategorien einteilen. (Es gibt durchaus weitere Wege die Arbeit mit unserem Atem zu kategorisieren, aber dies ist für mich die „einfachste“ und verständlichste.)
1. Functional Breathwork - funktionelle Atempraxis
Bei der funktionellen Atempraxis geht es darum, ein Atembewusst zu schaffen, Atemmuster zu erkennen und diese zu optimieren. Für mich stellt dies die Grundsäule der bewussten Atemarbeit dar. Mit functional Breathwork lernen wir unseren Atem im Alltag kennen - wie atmen wir in Alltagssituationen wie zum Beispiel bei sportlichen Aktivitäten, wie, wenn wir schlafen, wie, wenn wir entspannen oder wie, wenn wir gestresst vor dem Laptop sitzen?
Wenn wir uns unserer Atemmuster bewusst werden, können wir dysfunktionale Atemmuster erkennen und diese in funktionale (oder gesunde) Atemmuster überschreiben und eine gesunde Alltagsatmung entwickeln.
Beispiel Übungen für die funktionelle Atempraxis:
- Atembeobachtung
- Zwerchfellatmung
- Buteyko Atemtechniken
2. Regulativ Breathwork - regulierende Atempraxis
Die regulierende Atempraxis befasst sich primär damit unser Nervensystem zu regulieren. Durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems (fight/flight) oder des parasymphatischen Nervensystem (rest/digest) nehmen wir direkt Einfluss auf die Übermittlung der Signale zwischen unserem System und unserem Gehirn. Wenn wir einmal ein Atembewusstsein erlernt haben, können wir dieses nutzen um unsere körperliche Reaktionen und mentale Empfindungen, Emotionen zu regulieren.
Wenn wir Stress haben ist unser sympathisches Nervensystem aktiviert. Unsere Herzrate ist gesteigert und wir atmen schneller und flacher. Was zu einer Vielzahl an krankhaften mentalen, physiologischen und emotionalen Zuständen führen kann. Dennoch benötigen wir das sympathische Nervensystem genauso wie das parasymphatische Nervensystem. Denn der Sympathikus bereitet unser System auf eine Handlung vor. Hier das allgemeine Beispiel des Säbelzahntigers: Wenn früher, sehr viel früher, plötzlich ein Säbelzahntiger vor uns stand, musste unser System abwägen. Das sympathische Nervensystem wurde aktiviert und wir haben eine Entscheidung getroffen - fight, flight oder freeze (in diesem Fall war es zu spät um zu kämpfen oder wegzurennen). Der Körper schüttet Adrenalin aus, steigert das Coritsol Level, dämmt die Verdauung und den Fortpflanzungstrieb.
Heute steht kein Säbelzahntiger plötzlich mehr vor uns. Heute sind es andere Stressoren, die unser sympathisches Nervensystem aktivieren. Wie zum Beispiel das nächste Mitarbeitergespräch mit der Chefin, der Stau auf der Autobahn obwohl man schon viel zu spät dran ist, die schlechten Nachrichten von der Familie usw. Für unser System macht es keinen Unterschied. Unser System sieht immer noch den Säbelzahntiger vor uns stehen. Es folgen die gleichen körperlichen Reaktionen.
Wie gesagt, ist es ein maßgeblicher Teil unseres Nervensystems und der Gegenspieler von dem parasymphatischen Nervensystem. Wir benötigen beide. Durch die regulierende Atempraxis lernen wir Einfluss auf unser Nervensystem zu nehmen und dieses zu regulieren - in beide Richtungen. Wir lernen unsern Geist zu klären, Emotionen wahrzunehmen und diese zu handeln - ohne sich darin zu verlieren. Wir können Stress lindern, Ängste regulieren, präsenter im Moment sein, Lösungsorientierter werden, Energie sammeln, unsere physische Leistungsfähigkeit und unsere Schlafqualität verbessern.
Beispiele für Atem-Regulations-Techniken:
Box Atmung
Kohärenz Atmung (
Wechselseitige Nasenloch Atmung
Feueratmung
Wim Hof
3. Transformational Breathwork - transformative Atempraxis
Die transformative Atempraxis zielt darauf ab, tiefgreifende Veränderung im emotionalen, mentalen und physischen Zustand einer Person zu bewirken. Oder: den Geist und den Körper wieder in Einklang zu bringen.
Meist wird bei dieser Atempraxis die bewusst verbundene Atmung „Conscious Connected Breathing“ (in verschiedenen Formen) angewandt. Dabei atmen wir tief, ohne Pausen, ein und aus und nehmen dadurch Einfluss auf die biochemischen Prozesse und den Energiefluss in unserem Körper. Was uns erlaubt einen Bewusstseinszustand zu erreichen, in dem wir angestaute Emotionen, Blockaden, Körperempfindungen an die Oberfläche bringen, integrieren und lösen können. Die Erfahrungen die dabei gemacht werden können, können meditativ, spirituell, körperlich, kathartisch oder psychedelisch sein.
Diese Atempraxis kann auch genutzt werden um spezifische innere Themen anzuschauen oder ergebnisoffen mit sich selbst einzuchecken.
Auf rein biochemischer Ebene verändern wir durch die schnellere, verbundene Atmung den Sauerstoffgehaltes unseres Blutes, da wir vermehrt Kohlendioxid (CO2) ausatmen. Dies führt dazu, dass wir die Sauerstoffzufuhr unseres Gehirns einschränken und bestimmte Bereiche aktivieren. Welche unter anderem für die Verarbeitung von Erinnerungen, Emotionen, Selbstgefühl und Ego zuständig sind.
Grundsätzlich möchte ich aber an dieser Stelle erwähnen, dass grade bei Anfängern diese kraftvolle Atemtechnik nur mit ausgebildeten Coaches durchgeführt werden sollte, da es zu stärkeren körperlichen - und mentalen Reaktionen kommen kann.
Beispiele für transformative Atemtechniken:
Holotropes Atmen
Rebirthing
Conscious Connected Breathing
Fazit:
Ingesamt ist Breathwork ein sehr zugängliches und leichtes Tool um die mentale- sowohl als auch körperliche Gesundheit zu steigern. Wir alle haben unterschiedliche Bedürfnisse weswegen wir Breathwork für uns nutzen können. Es gibt nicht DAS eine Rezept. Für die Einen ist eine gesunde Atempraxis im Alltag, für Andere kann die Nervensystem Regulation bereits schon transformierend und heilsam sein, für wiederum Andere ist es eine Kombination aus allen drei Bereichen. Probiere dich aus! Lerne deine Atmung kennen.
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